Folkloretour rund um Rudolstadt

Im Juli 1984 tingelten zehn Musiker von Brummtopf und Saitensprung aus Erfurt sowie Lumich und Folkländer aus Leipzig gemeinsam mit einem chilenischen Arzt und Sänger aus Jena, mit zwei Zauberern und mehreren Kunsthandwerkern auf zwei Pferdewagen über die Dörfer im ostthüringischen Bezirk Gera. Sechs Tage lang waren sie unterwegs, wechselten sich spontane Ständchen ab mit vorher verabredeten Auftritten. Beim Dorffest, im Jugendklub, bei der bäuerlichen Handelsgenossenschaft, im Kinderferienlager, bei Soldaten eines Truppenteils der NVA oder vor Sonntagsausflüglern an Goethes Liebhabertheater beim Schloss Großkochberg.

Mal hatte man zur Begrüßung der Musikanten das Dorf geschmückt, mal stand der Bürgermeister persönlich am Grill, um sie zu beköstigen. Gesungen und getanzt wurde im Wirtshaussaal, unter der Dorflinde und am Lagerfeuer, gezeltet auf einer Wiese. Die Abende waren meist lang, die Nächte entsprechend kurz. An 20 Orten erlebten über 2000 Besucher Folklore zum Anfassen, Mitmachen und Nachmachen. Das Konzept der Folkloretour nutzte man in den nächsten Jahren regelmäßig nach. Organisiert wurde das Ganze vom KreisKabinett für Kulturarbeit Rudolstadt gemeinsam mit der Bezirkskulturakademie Gera mit Sitz in der Rudolstädter Ludwigsburg. Dort fand übrigens 1988/89 der zweite Spezialschul-Kurs für Tanzmeister (Volkstanz) aus der gesamten DDR statt.

Die bunt zusammengewürfelte Truppe von Folkmusikanten genoss die „einwöchige Party“ in idyllischer Landschaft. Wolfgang Mahrle von Saitensprung fuhr drei- oder viermal mit. Für ihn hatte die Rudolstädter Folkloretour in einer Zeit des allmählichen Auseinanderdriftens der Szene außerdem „eine Klammerfunktion“. Jeder habe seine Lieder einbringen können und dann seinerseits das Repertoire der anderen mitbedient. „Uns Musikern hat es eigentlich am meisten Spaß gemacht, mit den Kollegen zusammen zu spielen, die man sonst nur noch selten traf.“

1985 ging man erneut auf Tour rings um Rudolstadt, 1986 ebenfalls, dann u. a. mit der Hallenser Volkstanzgruppe Gehupft wie gesprungen und einem Puppenspieler. Das Prinzip des „rollenden Folkfestivals“, das auf Pferdewagen über die Dörfer zieht, wurde von anderen Bands aufgegriffen, so von Bumfidl sowie Zucker und Zimt (beide aus Jena). Dass es auch zwei Nummern kleiner funktionierte – mit einem Handwagen –, bewies schon 1984 die Jenaer Band Saitenwind, ebenfalls im Kreis Rudolstadt.

Schließlich kann man die Rudolstädter Folkloretour auch als eine Keimzelle des Tanz- und Folkfestes (TFF) bezeichnen. Mehrere Initiatoren des 1991 aus der Taufe gehobenen Festivals wie Chefgestalter Jürgen B. Wolff oder Kinderfest-Leiter Jens Daniel waren seinerzeit mit von der Partie. Und musiziert wurde schon 1984 nicht nur in den Dörfern rund um Rudolstadt, sondern auch an zwei mittlerweile deutschlandweit bekannten TFF-Spielorten: auf dem Schlosshof der Heidecksburg und an den Thüringer Bauernhäusern im Heinepark.