Mugge

Was heutzutage Gig heißt, das war zu DDR-Zeiten eine Mugge. Das Wort aus dem Musikerjargon steht für „musikalisches Gelegenheitsgeschäft“. Zu einer wirklich tollen Mugge gehörte aus Sicht der Musiker natürlich zuallererst ein voller Saal mit ordentlicher Akustik. Dazu ein aufmerksames Publikum, das bei Liedern und Ansagen auch das Nichtgesagte verstand. Im Idealfall fand sich auch noch eine schöne Frau, mit der man nach der Mugge ins Gespräch kam. In der Regel bestanden ja die studentischen Folkbands Ende der siebziger Jahre aus jungen Männern zwischen Anfang und Mitte zwanzig. Mehr als ein oder zwei Frauen standen selten mit auf die Bühne.

Was gehörte noch zu einer tollen Mugge? Unbedingt Bier, am besten Freibier! Mit einer warmen Mahlzeit konnte man dagegen nicht rechnen – Catering war seinerzeit ein Fremdwort. Wenn die Strecke für die Nachtfahrt nach der Mugge zu lang war, etwa von Potsdam nach Plauen oder von Schwerin nach Leipzig, dann durfte ein passabler Schlafplatz nicht fehlen. Das musste kein Hotelzimmer sein, war es auch fast nie. Ein Privatquartier tat es auch, im Idealfall … Der Normalfall war allerdings ein Doppelstockbett im Studentenwohnheim. Nach der Morgentoilette im Duschraum folgte ein oft längerer Fußmarsch zum Mensa-Gratisfrühstück und im Anschluss die mehr oder weniger muntere Heim- oder Weiterfahrt mit der Eisenbahn (Deutsche Reichsbahn) oder dem Bandauto. Solche Muggen in einem der vielen Studentenklubs oder der noch zahlreicheren Jugendklubs des kleinen Landes waren nicht selten.

In den Anfangsjahren buchten Veranstalter für eine Mugge gern mehrere Bands aus der noch überschaubaren Folkszene. Die waren mit ihren Amateurpappen schon für wenig Geld zu haben. So kam es, dass sich die Gruppen aus Erfurt, Ost-Berlin, Leipzig, Halle oder Cottbus häufig trafen und dass derartige Treffen ebenso häufig in gemeinsame G-Dur-Sessions mündeten, in denen regelmäßig das von allen beherrschte „Basisrepertoire“ erklang. Nahezu unerlässlich waren der irische Kneipensong „The Wild Rover“ und das Shanty „The Leaving Of Liverpool“. Auch deutsche Handwerksgesellenlieder wurden gern gespielt, allen voran „Die besten Saufbrüder sind gestorben“ oder „Ich bin Polier, sauf nur noch Bier“ und schließlich zum heiseren Schluss ein sentimentales, womöglich beziehungsanbahnendes „Ade nun zur guten Nacht“. Bei einer richtig tollen Mugge sang dann auch das Publikum mit. Und es gab noch eine Runde Freibier für die Bands.

Ende der siebziger Jahre kamen als Auftrittsgelegenheiten verschiedene Folkfestivals hinzu und in den achtziger Jahren Open-Air-Festivals wie der Berliner Liedersommer. An die Stelle des Mitsingens trat bald das Mittanzen. Zugenommen hatte schon in den Siebzigern die Zahl der Stadtfeste, so spielten Folkbands beim Erfurter Krämerbrückenfest. Brummtopf trat dort 1976 erstmals öffentlich auf. Andere Bands wiederum hatten Zugang zu lukrativen Muggen in Ferienheimen an der Ostsee, im Harz oder im Thüringer Wald. In den achtziger Jahren spielten auch Kirchen als Auftrittsorte eine Rolle, nicht nur für Künstler mit Auftrittsverbot.

Zu ergänzen wären noch die „Privat-Muggen“. So gut wie alle Folkbands traten gern bei Feten im Freundeskreis auf, zu Hochzeitsfeiern und zum Studentenfasching. Sie nahmen an Folkwanderungen teil, musizierten am Lagerfeuer, in der Kneipe oder in der Eisenbahn (Deutsche Reichsbahn). Und sie machten Straßenmusik in städtischen Fußgängerzonen, sofern es die Polizei erlaubte (oder solange sie nicht in Sicht war).

Ein spezielles Kapitel waren Westmuggen, d. h. Auslandsauftritte im „nichtsozialistischen Wirtschaftsgebiet“.