Bandnamen

Beliebt waren Zusammensetzungen mit -folk: Arbeiterfolk spielte bevorzugt Arbeiter-Volkslieder. Drei Gründungsmitglieder von Folkländer waren gebürtige Vogtländer. Das Repertoire von Inselfolk stammte von der „grünen Insel“. Fußfolk (Karl-Marx-Stadt) war eine Folkstanz-Band (eine namensgleiche Band gab es in Rostock). Eine Cottbuser Band nannte sich Folkskammer, in Anlehnung an die oberste Volksvertretung der DDR. Das wurde von den Behörden akzeptiert, nicht dagegen der Name „Verfolkungswahn“, den Aufwind sich ursprünglich ausgesucht hatte. Folksmund war ähnlich programmatisch gemeint wie Liedehrlich oder Spilwut.

Die Liedlai’n waren Amateure wie alle studentischen Folkbands(Hochschulstudium). Oft deutete der Name auf die Studienrichtung hin. So waren z. B. Ziegelsteins Musikanten an der Ingenieurschule für Bauwesen in Neustrelitz immatrikuliert. Kuhfladen nannten angehende Veterinärmediziner in Leipzig ihre Folkband. Medizinstudenten in Berlin fanden den Namen Asthma passend (und mussten sich später umbenennen in Dr. Eisenbart). Pädagogikstudenten in Dresden entschieden sich für Schulmeister. Der Name von Kantholz assoziiert sowohl Kantiges, als auch die Arbeit der Waldarbeiter und Flößer in Südthüringen. Die Landleute brachten ländliche Folklore Mecklenburgs auf die Bühne.

Plattdeutsche Namen trugen z. B. die Bands Eikboom (Eiche) oder Tüdderkram (laut mecklenburgischem Schimpfwörterbuch ein Zustand, „wo alles kreuz und quer durcheinanderliegt“). Ebenso Spälkram (Spielzeug oder Kinderspiel) oder Quickborn (nach der plattdeutschen Gedichtsammlung von Klaus Groth). Fiddler’s Grien wählte den Titel eines irischen Folksongs, allerdings in plattdeutscher Schreibweise. Ein Mundartwort als Bandnamen suchte sich Schillebold aus (so nennt man in manchen Landstrichen die Libelle), genau wie Lumich (sächsischer Ausdruck für einen Taugenichts).

Der Name von Bettelsack erinnert an die rechtlosen, aber auch respektlosen fahrenden Musikanten, ähnlich Landluper (nach dem Gemälde „Der Landloper“ von Hieronymus Bosch) oder Tippelklimper. Die Bierfiedler stellten sich in die Tradition jener nebenberuflichen Musiker, die noch zu Bachs Zeiten von den amtlich bestallten Stadtpfeifern in Leipzig als „Pfuscher“ und „Schmutzkonkurrenz“ bekämpft wurden.

Mehrere Bands benannten sich nach Musikinstrumenten, z. B. Brummtopf nach dem in der DDR-Folkszene anfangs sehr verbreiteten rustikalen Rhythmusinstrument (Brummtopf). Saitensprung entstand durch den „Seitensprung“ mehrerer Brummtopf-Musiker. Der Name der Band Windbeutel meint weder das süße Gebäck noch einen leichtfertigen Menschen, sondern den Dudelsack. Ebenso wie Shepperpipe (nach „Schaper Pfeiff“ oder Schäferpfeife). Trumscheit benannte sich nach dem mittelalterlichen Streichinstrument mit nur einer Saite und Schnarrsteg. Zerrwanst & Co. wählten den Spottnamen fürs Akkordeon, Wimmerschinken den für die Gitarre oder die Mandoline.

Der Name von Judahej geht zurück auf eine Vokalise, die in vielen sorbischen Volksliedern vorkommt. Bruder Anton benannte sich nach einem Handwerksgesellenlied, Bordun nach dem ostinaten Basston von Dudelsack oder Drehleier. Die Gruppe Klanghaufen wollte wohl das Ungeordnete und Ungebärdige ihrer Musik hervorheben.

Lustige Namen gaben sich Tanzgruppen bzw. Tanzbands wie Hagelschlag und Elfenreigen, Hops und Malz, G’hupft wie gesprungen, Kreuz & Square, Fehltritt, Tanztölpel, Schwenkhops, Wechselhupf oder Holter di Polka. Ilmfidelhupf verweisen bis heute auf ihren Heimat- oder Studienort Ilmenau, so wie es die Zugvögel taten, die an der Fachschule für Landwirtschaft in Zug bei Freiberg studierten.

Der Bandname von Sprjewjan ist die sorbische Bezeichnung für jemanden, der an der Spree lebt. Ähnlich Quitilinga in Quedlinburg, die sich den historischen Namen ihrer Stadt aussuchten. Später hieß die Band Münzenberger Gevattern-Kombo, auch das mit einem bewussten lokalen (und sozialen) Bezug: Der Münzenberg war ein Viertel am Stadtrand, in dem sich seit dem 16. Jahrhundert Handwerker, fahrende Leute und Musiker ansiedelten. Die Berliner Band Skye dachte dagegen bei ihrer Namenswahl an die Dudelsackspieler auf der gleichnamigen schottischen Hebrideninsel. Enniskillen benannten sich passend zu ihrer musikalischen Vorliebe nach einer Stadt in Nordirland.

Literarische Assoziationen kamen zum Tragen bei Wind, Sand und Sterne: Sie benannten sich nach dem gleichnamigen Buch von Antoine de Saint-Exupéry. Schwieriger zu erkennen ist der Bezug bei Ssälawih. Der Name geht zurück auf ein Gedicht von Kurt Tucholsky mit dem Titel „Ideal und Wirklichkeit“. Darin heißt es, bezogen auf Frauen, Tabakspfeifen und die deutsche Republik: „Man möchte immer eine große Lange, und dann bekommt man eine kleine Dicke – Ssälawih!“

Schließlich spielte auch Ess- oder Trinkbares bei Namenswahl eine Rolle. Ciboulette, das französische Wort für Schnittlauch, wählte eine Berliner Band, die vorwiegend Folklore aus Frankreich spielte. Sanddorn in Heiligendamm huldigten dem dort reichlich wachsenden Rohstoff für den gleichnamigen Schnaps. Im Falle von Burgunder stand eine Rotweinsorte Pate. Dasselbe gilt für Feuertanz, so hieß zu DDR-Zeiten ein preisgünstiger Roter aus Bulgarien. Der Name der Band Swedenquell, die mit Vorliebe Volkstänze aus Skandinavien spielte, ist abgeleitet von einer Biermarke aus Krostitz bei Leipzig mit historischem Bezug zum Schwedenkönig Gustav Adolf. Wacholder dachte bei der Namenswahl weder an die würzige Beere noch an die daraus destillierte Spirituose, sondern an die legendäre Wacholderschänke an der Fernverkehrsstraße 92 kurz vor Greiz, die im 18./19. Jahrhundert ein beliebter Unterschlupf für lichtscheue Gestalten gewesen sein soll.

Übrigens hatten Folkbands in beiden deutschen Staaten oftmals ähnlich klingende Namen: Liedehrlich in Gera und Liederjan in Hamburg, Bettelsack in Halle und Duo Schnappsack in Niedersachsen, Lumich in Leipzig und Lorbaß in Schleswig-Holstein. Der Bandname Saitensprung war und ist in Ost und West gleich mehrfach vertreten. Die auf politische Abgrenzung gegenüber der Bundesrepublik bedachten Funktionäre sahen sich dadurch in ihrem Argwohn bestätigt, dass die Folkszene unter westdeutschem Einfluss stehe.

Jürgen Morgenstern: Zur Entwicklung und zu Positionen der Musikfolkloregruppen in der DDR, Typoskript eines Referats im Kulturministerium, 10.12.1981, in 7 Exemplaren ausgefertigt, Stiftung Archiv der Akademie der Künste Berlin, Akte Zentralhaus, Signatur ZfK 197, S. 2.