Ormig

Was so geheimnisvoll klingt, war die in der DDR geläufige Bezeichnung für einen Hektrografen, benannt nach der 1925 in Berlin-Tempelhof gegründeten Firma Organisationsmittel GmbH. Über modernere Foto- oder Xeroxkopierer verfügten seinerzeit nur Bibliotheken und Archive. Und falls man dort etwas kopiert bekam, musste man auf die Kopien lange warten. Wenn man also von einem Text mehrere Exemplare brauchte, dann spannte man einfach mehrere Bogen dünnes Durchschlagpapier in die Schreibmaschine ein, dazwischen jeweils ein Blatt Kohlepapier. Sechs oder sieben lesbare Durchschläge waren damit möglich. Wenn das nicht ausreichte, wie etwa Ende 1976, als die „Entschließung“ der ersten DDR-offenen Folkwerkstatt in Leipzig an alle beteiligten Bands verschickt werden sollte, dann half nur Ormig, ein „Spiritus-Umdruck-Verfahren“. Damit ließen sich bis zu 100 Kopien eines Textes herstellen. Bei diesem Verfahren wurde mit der Schreibmaschine eine Matrize aus Spezialpapier beschrieben, deren Rückseite mit einer Farbfolie versehen war. Durch den Druck der Schreibmaschinen-Typen entstand dort eine seitenverkehrte Kopie. Diese wurde in den handkurbelbetriebenen Ormig-Apparat eingespannt. Der drückte anschließend mit Spiritus befeuchtetes Papier gegen die Kopie. Dadurch löste sich ein Teil der blauvioletten Farbe und übertrug sich auf das Papier. Eine ziemlich mühselige Angelegenheit, verbunden mit Spiritusgeruch und blauen Fingern. Das Ergebnis war alles andere als berauschend. „Geormigte“ Blätter verblassten fast genauso schnell wie die Ende der achtziger Jahre eingeführten bräunlichen Thermokopien.

Ormig-Apparate waren Betrieben, Schulen und Unis, Parteien und Massenorganisationen oder öffentlichen Einrichtungen vorbehalten und allesamt registriert – aus Angst vor illegal hergestellten staatsfeindlichen Druckschriften. Die beschriebenen Matrizen waren aufzubewahren und die Anzahl der Kopien zu vermerken. Aus demselben Grund wurden beim Kauf einer Schreibmaschine Name, Adresse und Personalausweis-Nummer des Kunden notiert. In den achtziger Jahren nutzten Bürgerrechtler Ormig-Apparate von kirchlichen Einrichtungen, um Flugblätter und Untergrundzeitschriften herzustellen.